Trainerkompetenzen idealisiert oder unterschätzt?

Unter der Lupe

Die Bezeichnung „Reitlehrer“ ist zwar nicht geschützt, aber die Erwartungen und Anforderungen dafür umso höher. Ein guter Trainer, der wirklich zum jeweiligen Pferd-Reiter-Team passt, ist nicht leicht zu finden.  

Begnügte man sich in vergangenen Zeiten noch oftmals mit der Reitschule um die Ecke, weil sie ohnehin die einzige Alternative war, sind heute nicht nur die Ansprüche deutlich gewachsen, sondern auch die Möglichkeiten. Während sich der Kunde mit vielseitigen Spezialisierungs-Angeboten konfrontiert sieht und kaum den Überblick behält, sind Trainer bemüht, den Trends zu folgen, um aktuell und fachkundig zu bleiben.  

Denn es zählt die Devise: Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit! 

Besonders das vielseitige Westernreiten, das viele Disziplinen und Sparten zu bieten hat, erfordert nicht nur vom suchenden Reitschüler eine Orientierung, die schnell verwirren kann, wenn man nicht genau weiß, was man will, sondern auch von Trainern stetiges, flexibles Anpassungsvermögen. Neben Reining, Cutting, Working Cowhorse, Trail, Pleasure, Ranch Riding, Western Riding, Western Horsemanship, Halter, Hunter Under Saddle oder Versatility Ranch Horse etc. etablieren sich zudem noch etliche Horsemanship-Strömungen, die kaum mehr überblickbar scheinen. Zuhauf sprießen „neue“ Herangehensweisen aus dem Boden, die mit meist schicken und durchdachten Namen oder Slogans die potenzielle Kundschaft umwerben, als alleinige Heilsbringer in Sachen Pferd, dabei aber nur selten das Rad neu erfunden haben. Ob nun sinnvoll oder nicht: Der kompetente Trainer muss sie alle kennen und informativ beraten können. Das erzeugt einen übermäßigen Fortbildungsdruck, der, wenn man es genau betrachtet, weder leistbar noch besonders gewinnbringend ist. Wer ständig links und rechts schaut, verliert schnell das Ziel aus den Augen – das gilt sowohl für den Schüler als auch für den Lehrer.  

Nicht alles, was „neu“ ist, hält auch, was es verspricht. Da scheint es sinniger, die eigenen Stärken in den Fokus zu nehmen, um diese erweitern und ausbauen zu können – das klammert eine offene Haltung gegenüber anderen Herangehensweisen übrigens keinesfalls aus. Spezialisierung vonseiten des Trainers sollte unter dem Gesichtspunkt der „Angebots-Hysterie“ eher als ein Plus gewertet werden – zumindest im direkten Vergleich zu jemandem, der alles kann, aber dafür nichts richtig.  

Das ideale Gespann

Neben dem Sympathiefaktor sollte natürlich die fachliche Kompetenz des Trainers entscheidend sein. Aber nicht nur die gewünschte Reittechnik soll vermittelt werden, vielmehr hat der Fachmann des Vertrauens noch deutlich mehr Aufgaben: veterinärmedizinische, osteopathische und hufpflegerische. Auch gehören Equipment- und Futtermittelberatung sowie Physiotherapie für Mensch und Pferd zum Profil. Überdies ist er nicht nur stressresistent, sondern verfügt auch über psychologisches Fachwissen, das es ihm ermöglicht, jederzeit pädagogisch versiert, rhetorisch geschickt, wertschätzend sowie einfühlsam auf Schüler und Pferd einzuwirken. Nicht zu vergessen: Er hat stets das Wohl und die individuelle Entwicklung seiner Schützlinge im Blick und weiß diese gezielt zu fördern.  

Je nach Perspektive liest sich der letzte Abschnitt völlig unterschiedlich: Vonseiten des suchenden Schülers klingt er wie die lang ersehnte eierlegende Wollmilchsau, ein Sechser im Lotto.  

Jedem Ausbilder dürften hingegen die Haare zu Berge stehen, weil er diesen Anforderungen gar nicht gerecht werden kann und vor allem auch nicht muss. Einen Anspruch auf ihre Meinung haben natürlich beide: Der zahlende Kunde hat Vorstellungen, Ziele und Wünsche, die Beachtung finden sollen. Auch ergeben sich immer wieder Fragen, deren fachkundige Beantwortung wichtig ist. Der Reitlehrer hingegen hat wie jeder andere Mensch Stärken und Schwächen.  

Manches geht und anderes geht eben nicht. Punkt. Wie im echten Leben befindet sich die Wahrheit meist in der goldenen Mitte. Überall, wo Menschen zusammenkommen und es Erwartungen aneinander gibt, entstehen meist ganz automatisch auch Konflikte und/oder Enttäuschungen. Das ideale Gespann gibt es nur, wenn aufeinander zugegangen wird und gemeinsam klare Ziele definiert werden. Beinahe alle Reiter wissen, was mit ihren Pferden nicht so gut klappen will, sie haben nur oft keine Lösungsstrategien parat. An diesem Punkt kommt der Trainer ins Spiel. Aber auch ihm sind Grenzen gesetzt, wenn der Schüler für sich nicht klar weiß und kommuniziert, was er vom Unterricht erwartet.  

Wer die Musik bestellt, der bestimmt, was sie spielt!?

Was vor nicht allzu langer Zeit noch gang und gäbe war, ist heute (hoffentlich) fast undenkbar: der despotische, sich monoton und ständig wiederholende Techniktrainer, der unmotiviert, aber in dröhnender Lautstärke passivaggressive Phrasen wie „Bein lang, Hacken tief!“ oder „Setz dich jetzt mal durch!“ drischt. Wurde die naturgegebene Autorität des bestiefelten Halbgottes früher nur von den ganz Mutigen infrage gestellt, sind die Anforderungen an einen fundierten Reitunterricht nicht nur in Bezug auf den mitmenschlichen Umgang gestiegen, sondern auch bezogen auf den Partner Pferd. Reiter sind deutlich besser informiert, stellen mehr Fragen, hinterfragen, überprüfen und fordern mehr. Da aber auch die Möglichkeiten – insbesondere im Westernbereich – heute breiter gefächert sind, wird die Selbstanalyse immer wichtiger, damit der Reitunterricht überhaupt den erhofften Zweck erfüllen kann. 

Potenzielle Trainer gibt es wie Sand am Meer, aber den passenden zu finden ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Zwar gelten Reiter als extrem leidensfähig und nehmen im Vergleich zu anderen Sparten in der Erwachsenenbildung viel mehr hin, aber Frust und Demotivation können durch gute Vorbereitung, angemessene Selbstreflexion und sinnvolle Ausbilderwahl stark reduziert werden. Deutliche und ehrliche Kommunikation ist hier der Schlüssel zum Erfolg, und zwar sowohl mit sich selbst als auch mit dem Ausbilder. Letzterer hat erst dann eine faire Chance, sich ein Bild zu machen und eine gemeinsame Vorgehensweise auszuarbeiten. Offenbar hat dieser Spruch vergangener Generationen immer noch seine Berechtigung: „Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden!“  

Die Gretchenfrage: Trainerschein – ja oder nein?

Während Pferdewirt ein anerkannter Ausbildungsberuf ist, bei dem ein Schwerpunkt gewählt wird, trifft dies auf die Bezeichnung „Trainer“ – ganz gleich, wo absolviert oder zertifiziert – nicht zu. Der Weg zum Trainer kann also unterschiedlich gegangen werden und ist strenggenommen ein Weiterbildungsberuf, der stark von der Eigenleistung, der Motivation, dem bereits erworbenen und sich angeeigneten Fähigkeiten des Einzelnen abhängt, und zwar auf allen nötigen Ebenen: fachlich, psychisch, physisch und kognitiv. Wer meint, dass er gut reiten kann, ist noch lange kein guter Ausbilder. Wer es dennoch versuchen will, wird in der Realität schnell eines Besseren belehrt. Der qualifizierte Westerntrainer vereint Theorie und Praxis. Dabei kann er nicht nur das Pferdeverhalten beurteilen, sondern auch die individuellen Fähigkeiten des Reiters einschätzen. Weiter zeichnet ihn ein feines Gespür für Tier und Mensch aus. Er ist ein sicherer und erfahrener Reiter, der aber zudem fähig ist, seine Kenntnisse im Sinne einer Transferleistung sachgemäß zu vermitteln. Seine persönlichen Eigenschaften umfassen Geduld, Beobachtungsgabe, Verantwortungsbewusstsein und zudem viel Freude am Unterrichten ganz unterschiedlicher Menschen mit völlig verschiedenen Kompetenzen und Motivationslagen. Wer nicht ausreichend Empathie für andere Lebewesen mitbringt, stößt als Reitlehrer schnell an seine Grenzen. 

Letztlich liegt es im Aufgabenbereich des zahlenden Kunden, für sich zu definieren, was er will und braucht, um weiterzukommen. Der Trainerschein kann bei der Auswahl sicher ein Kriterium spielen, steht er doch für Kompetenz, Arbeitsmoral, eine objektive Überprüfung der Fähigkeiten und auch für jemanden, der sich ernsthaft auf diesen Beruf eingelassen hat. Ein Erfolgsgarant ist er natürlich dennoch nicht. Gleiches gilt insbesondere für teuer erstandene Wochenend-Seminar-Zertifikate, die höchstens einen Einblick in ein Thema verschaffen, um einen seichten Input zu geben, es aber keinesfalls vermögen, erfahrene Experten hervorzubringen. Dennoch lässt sich dieses natürlich effektvoll vor der Kundennase wedeln. 

„Äußere“ Merkmale sind ohnehin selten gesicherte Hinweise für oder gegen eine Entscheidung. Allerdings hat der Reitschüler bei der Trainerauswahl ein ziemlich glaubwürdiges Barometer parat: sein Pferd. Wer selbst hin- und hergerissen ist, ein schlechtes Gefühl im Bauch mit sich herumträgt oder seine Unsicherheit einfach nicht überwindet, weil er niemandem Unrecht tun will, der sollte sein Pferd in den Fokus der Entscheidung stellen. Das lässt sich gewiss nicht blenden und zeigt ungefiltert, ob es verstanden, gesehen und gefördert wird. Denn das ist klar: Wer stetig bemüht ist, bloß kein Tageslicht auf die Magie scheinen zu lassen, wird von Pferden zuverlässig enttarnt. So trennt sich schnell die Spreu vom Weizen.

Text: Susanne Kreuer,  Foto: K.-J. Guni