Botulismus – unsichtbare Gefahr im Futter

Augen auf bei der kommenden Ernte

Sie sind klein, sie sind fies, sie sind tödlich: Bakterien der Gattung Clostridium. Als überall vorkommende und ausgesprochen robuste Keime können sie sowohl völlig harmlos als auch tödlich für Mensch und Tier sein. Der Botulismus gilt als eine von drei wichtigen Erkrankungen, die Clostridien beim Pferd, aber auch beim Menschen auslösen können.

Bakterien der Gattung Clostridium weisen einige Besonderheiten auf: Sie bilden Sporen (Dauerformen), die ausgesprochen resistent gegen äußere Einflüsse sind und dadurch widrige Umstände und lange Zeiträume überdauern können. Und sie sind besonders gefährlich: Sie bilden hochgiftige, in kleinsten Konzentrationen wirksame Toxine.
In der Natur kommen sie überall vor und normalerweise richten sie keinen Schaden an. Gefährlich wird es für Zwei- und Vierbeiner, wenn die Bakterien oder ihre Toxine vom Organismus aufgenommen werden. Dabei sorgen vor allem drei Vertreter der Gattung für erhebliche Probleme:
• Clostridium tetani als Verursacher des Tetanus,
• Clostridoides difficile und/oder Clostridium perfringens als (vermuteter Haupt-)Verursacher der Colitis X und
• Clostridium botulinum als Verursacher des Botulismus.
Alle drei Erkrankungen sind hochgefährlich und enden unbehandelt in den meisten Fällen mit dem Tod des Pferdes. Deshalb ist die Vorbeugung so wichtig! Im Falle des Clostridium botulinum dreht sich alles darum, wie Pferdefutter gewonnen und gelagert wird.

Gift-Zwerge

Clostridien richten im Organismus Schaden an, indem sie Giftstoffe (Toxine) freisetzen, im Fall des Botulismus das neurotoxische (für das Nervensystem giftige) Botulinumtoxin. Was das Bakterium selbst und den von ihm ausgelöste Botulismus angeht, muss zwischen seiner Sporenform, dem Keim und den vom Keim abgegebenen Toxinen unterschieden werden.
Dem Pferd droht Gefahr auf drei Wegen: Gelangen Keime, deren Sporen oder auch nur die Toxine in seinen Körper, erkrankt es.
Clostridium botulinum kommt in der Natur fast überall vor. In verwesenden Tierkadavern und sich zersetzenden Pflanzen kann seine Konzentration stark ansteigen. Beim Pferd kann Botulismus auf zwei Weisen ausgelöst werden: seltener durch die Aufnahme von Keimen oder Sporen, die dann im Pferdekörper beginnen, Toxine zu bilden, meist jedoch durch die Aufnahme der Toxine, also ohne direkte Beteiligung des Bakteriums. Am häufigsten führt die Aufnahme kontaminierten Futters zum Botulismus des Pferdes.

Tödliche Verschmutzung

Unbemerkt ins Schnittgut geratene Kadaver (Mäuse, Rehkitze), Silage, die mit Erde verunreinigt ist oder kontaminiertes Wasser, etwa infolge eines Kadavers im Tränkewasser – hier lauert die Gefahr, Toxine aufzunehmen. Nimmt ein Pferd derartig kontaminierte Silage oder Heu auf (bereits 50 bis 100 Gramm Futter reichen aus), entwickelt es innerhalb von einem bis vier, maximal wohl bis zu 14 Tagen typische neurologische Vergiftungssymptome. Das Toxin wirkt an den motorischen Endplatten der Nerven, wo normalerweise zur Übertragung eines elektrischen Signals auf die Muskulatur der Stoff Acetylcholin ausgeschüttet wird, der zuvor in speziellen Vesikeln gebildet wurde.
Unter der Wirkung des Toxins kann das Acetylcholin nicht mehr ausgeschüttet werden, die Reizweiterleitung kommt zum Erliegen, Lähmungen treten auf. Die Vesikel sind dauerhaft nicht mehr funktionstüchtig und können das darin eingekapselte Acetylcholin auch dann nicht mehr ausschütten, wenn das Toxin nicht mehr wirksam ist – es müssen zunächst neue Vesikel mit frischem Botenstoff gebildet werden. Für das erkrankte Pferd heißt dies: Die Symptome sind akut lebensbedrohlich und halten auch unter einer erfolgreichen Behandlung lange an.
Anders entstehen die selteneren Erkrankungen bei meist noch sehr jungen Fohlen („shaker foal syndrom“), die nicht das Toxin aufnehmen, sondern kontaminierte Erde oder Futter mit versporten Clostridien, die dann im Darmtrakt auskeimen und Toxine bilden. Betroffene Fohlen fallen zunächst durch Störungen im Saufverhalten auf, Milch tropft, sie können nicht mehr abschlucken. Sie beginnen zu zittern und zunehmend schwächer zu werden. Einzelne Fohlen können auch relativ plötzlich versterben, ohne die sonst typischen Symptome zu entwickeln.
Erwachsene Patienten fallen oft zunächst durch Inappetenz und ein verändertes Fressverhalten auf: Sie fressen langsam, wie in Zeitlupe, speicheln viel, lassen vielleicht auch Futter aus dem Maul fallen, können Wasser oder Futterbrocken nicht mehr richtig abschlucken. Sie bewegen sich nur ungern, stehen häufig mit gesenktem Kopf, können leichte Koliken entwickeln und fallen durch vermehrtes Schwitzen auf. Ohne Bewusstseinseintrübung entwickeln sich dann rasch weitere Symptome: Die Skelettmuskulatur beginnt – anfangs an den Hintergliedmaßen – zu zittern, wird schwächer und schließlich gelähmt, die Kau- und Schluckbeschwerden nehmen bis zur völligen Lähmung von Zunge, Rachen, Kehlkopf und Kaumuskulatur zu, es kommt zur Verstopfung des Darmtrakts, zu Atemnot und schließlich zum völligen Festliegen und Atemstillstand.

Hilfe in der Not?

Leider besteht aktuell (noch) keine Möglichkeit, Pferde vorbeugend zu immunisieren, da in Deutschland kein entsprechender Impfstoff zugelassen ist. Liegt eine Clostridieninfektion vor, kann diese antibiotisch behandelt werden, allerdings wirkt das Antibiotikum nicht gegen das bereits gebildete Toxin.
Behandlungsversuche beim erkrankten Pferd können in seltenen Fällen erfolgreich sein, aber Pferde, die bereits festliegen, sind in der Regel nicht mehr zu retten. Die erste Maßnahme besteht darin, über das Futter aufgenommenes Toxin möglichst noch auszuscheiden oder zu neutralisieren, bevor es aus dem Magendarmtrakt in den Körper gelangen kann. Dazu werden Abführmittel und bindende Stoffe wie etwa Aktivkohle verabreicht. Ebenfalls als Sofortmaßnahme wird Antitoxin gegeben, ein Gegenmittel, das allerdings nur gegen noch frei zirkulierendes und nicht gegen bereits an den motorischen Endplatten angedocktes Toxin wirksam ist. Patienten werden zudem vorsorglich antibiotisch abgedeckt. Ansonsten bleibt nur, das Pferd zu stützen und abzuwarten.

Futterhygiene ist essentiell

Etwa 90 Prozent der erkrankten Pferde sterben trotz bester Behandlung. Der Vorbeugung kommt deshalb eine entscheidende Rolle zu. Bei der Produktion von Heu und Heulage ist darauf zu achten, das Schnittgut mit ausreichend hoch eingestellten Messern zu ernten – liegt die Schnitthöhe unter 10 cm, wird unweigerlich Erde mit aufgenommen, und darin befinden sich immer Clostridien. Geschnitten wird von innen nach außen, damit Tiere eine Chance haben, aus der Wiese zu flüchten und nicht ins Messer geraten. Werden Tierkadaver im Raufutter entdeckt, ist das Futter großzügig zu entsorgen, da sich das Toxin nicht nur im Kadaver selbst, sondern im gesamten Ballen befinden kann. Silage ist sauber durchzusäuern, damit darin befindliche Clostridien sich nicht vermehren können. Schadnager sind rund um die Reitanlage zu bekämpfen.
Zum Glück ist Botulismus eine seltene Erkrankung – was aber auch bedeutet, dass sie weniger im Bewusstsein der Pferdehalter und auch mancher Tierärzte ist. Eine hervorragende Futterhygiene als Vorbeugung und erhöhte Wachsamkeit bei allen Auffälligkeiten bezüglich Kauen und Abschlucken kann helfen, Leid und Todesfälle zu verhindern.

Text: Angelika Schmelzer