Alleskönner Faszien

Das Netzwerk des Körpers

Was sind Faszien? Kurz: Bindegewebe. Aber dahinter steckt so viel mehr. Ohne Faszien geht nichts oder nur wenig im Körper und wenn sie in ihrer Funktion gestört sind, sind auch viele Funktionen des Körpers beeinträchtigt.

Faszien umhüllen die Muskeln, Knochen, Organe, Bänder und Sehnen. Sie sehen wie ein dreidimensionales Geflecht innerhalb des Körpers aus. In den Faszien sind Proteoglykane eingelagert, die ein hohes Wasserbindungsvermögen besitzen. Wenn die Faszien unter Druck geraten, wird das Wasser wie bei einem Schwamm aus dem Gewebe gequetscht und die Faszie braucht eine Regenerationszeit von circa 48 Stunden, um ihrer Funktion wieder nachkommen zu können.
Faszien sind fast Alleskönner. Sie schützen, stützen, tragen, fungieren als Stoßdämpfer, unterstützen das venöse und lymphatische System und die Heilung.

Funktion der Faszien

Faszien sind das tragende Element für beispielsweise das Gefäß- und Nervensystem. Sie halten Gelenke stabil und funktionsfähig. Muskeln bewegen zwar die Gelenke, die Koordination übernehmen aber die Faszien. Sie geben sämtlichen Organen ihre anatomische Form und befestigen sie an den knöchernen Strukturen. Nerven-, Gefäß- und Lymphgefäße werden teilweise aus Faszien gebildet, teilweise von ihnen umhüllt.
Weiter schützen sie vor Spannungskräften, Stress und Gewalteinwirkung. Zum Beispiel dienen die Meningen (strukturierte Bindegewebsschichten, die das Gehirn und das Rückenmark umschließen und schützen) als Puffersystem. Darüber hinaus unterstützen Faszien das venöse und lymphatische Blutsystem beim Rücktransport zum Herz, indem sie für einen gleichmäßigen Blutfluss sorgen. Bei einer eingeschränkten Faszie in diesem Bereich kann es zum Blut- oder Lymphstau kommen.
Und schließlich bewahrt ein gesundes Fasziensystem den Körper vor Krankheitserregern und trägt zu einem starken Immunsystem bei, da in den Faszien Makrophagen und Mastzellen eingelagert sind, die Erreger erkennen und fressen und bei Entzündung für eine vermehrte Durchblutung in dem Bereich sorgen.

Einschränkungen der Faszien

Da Faszien eng mit dem Körper und seinen Strukturen verbunden sind, können sie an jeder Stelle erkranken. Andersherum kann sich jede knöcherne oder muskuläre Beeinträchtigung in den Faszien zeigen. Alle Beschwerden, die mit dem Bindegewebe in Verbindung stehen wie zum Beispiel Sehnenverletzungen können zu Störungen der Faszien im gesamten Körper führen (Sehnen sind zum Beispiel auch Faszien). Das gilt auch für Narben, Entzündungen, Infektionen, Reizungen, erhöhte Druckbelastung durch Fehlstellungen, falsche Bewegungen etc.
Häufig verklebt das Bindegewebe durch Bewegungsmangel. Die damit verbundene Muskulatur wird in ihrer Mobilität eingeschränkt und es entstehen Schmerzen. Rückenschmerzen, Schulterschmerzen, Gelenkschmerzen sind nur einige Beispiele. Werden die verklebten Faszien gelöst, kann auch die Muskulatur wieder entspannen und schmerzfrei arbeiten.
Da Faszien sich wie ein Netz um Organe und Strukturen des Körpers legen, können sie auch Schmerzen und Verspannungen weiterleiten. Das ursprüngliche Problem muss also nicht immer da liegen, wo es auftaucht.

Faszien und Psyche

Stress erhöht die Spannung der Faszien, Entspannung dagegen löst das Bindegewebe. Steht ein Pferd also unter Dauerstress, zum Beispiel durch viele Turniere, falsche Haltung, schlechte Fütterung, ist das Fasziennetz unter ständiger Anspannung und sein Körper kann keine Ruhe finden. Erschöpfung, Nervosität und Überreiztheit können die Folgen sein. Das gleiche gilt natürlich auch für Menschen.

Faszienprobleme beim Pferd

Faszienprobleme beim Pferd zeigen sich unter anderem durch mangelnde Losgelassenheit, Stellungsprobleme, Taktstörungen, unter Umständen auch als Headshaking, Widersetzlichkeit beim Putzen oder Satteln, orthopädische Probleme, Verspannungen, Erkrankungen der Unterstützungsbänder, Fesselträgerprobleme, Nervosität.
Oft haben verhaltensauffällige, gestresste Pferde verspannte Faszien im Kopfbereich. Kopper oder Pferde, die in Hyperflexion oder in dauerhafter Versammlung geritten werden, zeigen verspannte Faszien im Genickbereich. Kuhlen in der Sattellage sind meist eher ein fasziales Problem als ein muskuläres, da die Faszien in dem Bereich deutlich dicker sind als die Muskeln.

Faszienbehandlung – Fasziale Osteopathie

Das Lösen der Faszien beim Pferd erfolgt sanft. Es sieht teilweise aus wie „Handauflegen“, doch es ist mehr. Zunächst nimmt der Therapeut Kontakt mit dem Pferd auf, legt die Hand auf den Körper und fühlt in das Gewebe hinein. Dabei steht das Pferd, wenn möglich, mit den Beinen geschlossen, damit sich ein gleichmäßiges Bild ergibt. Der gesamte Körper wird auf beiden Seiten diagnostiziert auf Temperatur, Struktur, Bewegung und Rhythmus des Gewebes.
Durch gezielten, manuellen sanften Druck lösen sich die Faszien. Ihre Nervenfasern geben die durch die Behandlung übermittelten Informationen an das Nervensystem weiter. So kommt es zu direkter Spannungsveränderung des Bindegewebes.
Es gibt unterschiedliche effektive Möglichkeiten, die Faszien zu lösen. Je nachdem wie verspannt sie sind und woher die Probleme rühren, wendet der Therapeut mehrere Methoden an, zum Beispiel das aktive Begleiten des Faszienzuges oder die Dehnungstechnik.
Für welche Anwendung der Therapeut sich auch entscheidet, die Behandlung erfolgt immer sanft und unspektakulär. Gerade im osteopathischen Bereich gilt: Weniger ist mehr. Druck erzeugt immer Gegendruck. Bei zu starker Einwirkung erreicht der Therapeut nur das Gegenteil von dem was er erreichen möchte: ein gelöstes und entspanntes Pferd und Gewebe.
Knackende Gelenke oder spektakuläre Dehnungen findet man in der Faszienbehandlung also nicht, denn Faszien mögen es sanft. Dennoch kann es hin und wieder bei der Behandlung zu Knackgeräuschen kommen, wenn sich die Spannung in den Faszien löst.

Text: Claudia Wichtmann mit fachlicher Unterstützung von Daniela Dietrich, Foto: Esra Ruland